Nähe bestimmte die Preisverleihungsfeier
Gerade in dieser Zeit der allgegenwärtigen Ermahnungen durch Wort, Schrift und Piktogramm, Abstand zu wahren, wirkte das Erlebnis dieser Preisverleihungsfeier für Marica Bodrožić gerade durch seine Nähe auf mich beglückend.
Das hatte gewiss nichts mit den Dimensionen der ehemaligen Fabrikhalle zu tun, in deren „Mulde“ wir uns versammelt hatten, um den lange erwarteten Festakt zu erleben. Es waren vor allem ganz unmittelbare Ansprachen und Blicke, leise Töne und viel persönliche Ausstrahlung, die ich empfand. Nähe entsteht, wenn uns ein Wort spontan berührt, wenn ein Ton etwas in uns zum Schwingen bringt.
Mario Walter Johnen, der Vorsitzende der Preisjury 2019-2020 und damals Vorsitzender der Gesellschaft, begann mit diesem so unmittelbar persönlich ansprechenden Stil die Zuhörerinnen und Zuhörer mit hineinzunehmen in das Geschehen, mit seiner Moderation der einzelnen Abfolgen, kleinen freundlichen Anmerkungen, Zitaten und Hinweisen, immer persönlich, immer ganz direkt.
Seine beste Idee aber war für mich dass er zum ersten Mal in der Geschichte der Hasenclever-Preisverleihungen zur Überreichung der Verleihungsurkunde diejenigen dazu bat, die monatelang gelesen, diskutiert, erwogen und schließlich entschieden hatten: die Jurymitglieder
Olaf Müller für die Stadt, Dr. Maria Behre für die WHG und das Städtische Einhard-Gymnasium, Dr. Stephanie Wolff-Rohé für die WHG und den Aachener Buchhandel, Dr. Uwe Beyer von der Evangelischen Stadtakademie. Zwei Jurymitglieder waren aus beruflichen Gründen verhindert: Dr. Jan Bürger vom Deutschen Literaturarchiv Marbach und der an der RWTH tätige Priv. Doz. Dr. Hans-Joachim Hahn.
Ihrem herzlichen Beifall schloss sich das Publikum begeistert an.
Ich würde mir wünschen, dass dieser Stil bei künftigen Urkundenübergaben beibehalten wird.
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Aachen Sibylle Keupen fand denselben persönlichen Ton in der Ansprache der Gäste und der Preisträgerin – mit Passagen aus deren Werk, die sie berührt hatten, und mit den vielfachen Beziehungssträngen zu ihrem schriftstellerischen Bruder Walter Hasenclever.
Herzlichen Applaus erhielt der Laudator, Prof. Dr. Jürgen Trabant, als er schmunzelnd ankündigte, darauf zu verzichten, die Offiziellen eigens zu grüßen, und stattdessen – mit einer Zusatzbemerkung, wie viel wert es sei, dass junge Leute zur Literatur eine Beziehung fänden, zu den vielen jungen Zuhörerinnen und Zuhörern sagte: Ich grüße Sie, liebe Schüler.“
Wie besonders geglückt die Tonalität zusammenstimmte, empfand ich beim Spiel des jungen Klassegitarristen Balthasar Weigand. Es schuf, mit souveräner, völlig unangestrengter Virtuosität und einer überaus glücklichen Kompositionsauswahl, einen feinen Stimmendialog zu der schönen, klaren Stimme der Preisträgerin und damit die besondere Atmosphäre, die mich – ich sagte es zu Beginn – schlicht und einfach beglückte.
Dass sich die von Sympathie umhüllte Marica Bodrožić rundum wohlfühlte, spürte man nicht nur an ihrem Blick, mit dem sie direkt mit ihren Zuhörerinnen und Zuhörern Blickkontakt aufnahm; auch ihre freundliche Geduld, mit der sie beim Signieren ihrer Bücher den Fragen und Mitteilungen der Gäste Zeit schenkte, war ein Zeichen dafür.
Eine so direkt dem Herzen nahe gehende Hasenclever-Preisverleihung habe ich, so glaube ich wenigstens, bisher noch nicht erlebt.
Jürgen Lauer