Die digitale Bühne gestalten – Reflexionen der Begegnung mit der Preisträgerin

Wir erlebten gemeinsam eine noch nie so gewesene Form der Buchpreisverleihung. Da Corona es uns versagte, die Autorin zu uns einzuladen, erschien sie digital und überlebensgroß auf der Leinwand unserer Aula. In dem vertrauten Raum unserer Schule geschah etwas Neues, Modernes. Genau um diese Thematik ging es dann auch, Wie leben wir in einer durch Corona „neuen“ Welt? Wie gehen wir damit um, dass unsere „Normalität“ nun auf einmal der Vergangenheit angehört? Die Autorin sagte selbst, sie hätte nun sogar mehr Angst vor der alten Normalität als vor der neuen Gegenwart. Die Autorin erlebte das Neue gemeinsam, in dem sie auf ein immer noch aktuelles, altes Gedicht zurückgriff, „der Panther“, und es gemeinsam mit ihren Nachbarn las, aber auch mit uns, verbunden durch Worte und räumlich getrennt. Denn das Räumliche ist nur temporär, Bordrozic erzählte von dem Land, in dem sie geboren wurde und das heute nicht mehr, außer in Gedanken, Wort und Schrift, existiert. Die Autorin ging auch auf die Frage ein, wie wir mit dem Vergangenen umgehen sollen. Ihre Tante, die Lehrerin ist, spielte in einer Whats-App Nachricht (ein neues und aktuelles Medium unserer Zeit), auf niveaulose Weise auf einen Gruß aus der Vergangenheit und ein Zeichen der Diktatur, an. Sie entschuldigte sich damit, sie hätte den „Witz“ nur schnell kopiert. Die Schnelligkeit und Kurzlebigkeit der neuen Medien hatte ihr die Möglichkeit genommen, vorerst zu Denken und zu Reflektieren. Dies passt natürlich sehr gut zu dem zuvor erwähnten Gedicht, denn dort ist der Panther nicht mehr dazu fähig, Bilder aufzunehmen, sondern nimmt nur noch sehr selten etwas wahr. Bei unserem Gespräch sah man also sowohl die Vorteile des Neuen als auch die Gefahren.“ (Henrike Penkwitt)


„Marica Bodrozic erzählte viel Persönliches, insbesondere über eigene Erfahrungen. Beispielsweise hat sie zwei Monate lang immer an einem bestimmten Tag auf ihrem Balkon das Gedicht „Der Panther“ Nachbarn vorgelesen. Nach einiger Zeit kamen zwar immer weniger Nachbarn, aber Bodrozic hat ihr Ritual trotzdem fortgeführt. Dieses Gedicht umfasst eine große Komplexität, sodass der Mensch bei jedem neuen Lesen in eine andere Welt hineintaucht. Außerdem hat sie die Fragen der Sterndeuterinnen deutlich und präzise auf den Punkt beantwortet.

Ein Zitat gefiel mir besonders gut: „Die Sprache ist das Menschlichste“. Dies zeigt, dass die Sprache dem Menschen eine eigene Identität gibt und ihm Mut macht, auch auf die Mehrsprachigkeit einzugehen. Des Weiteren war die Lesung aus ihrem neuen unveröffentlichtem Werk „Pantherzeit“ sehr interessant, insbesondere in Bezug auf ihre eigene Persönlichkeit, ihre Familie und über das jüdische Museum in Berlin neben dem sie wohnt. Dies verdeutlicht ihre eigene Welt, in der sie in Corona-Zeiten lebt. Marica Bodrozic war sehr bewegt, den Preis erhalten zu haben, und sprach dahingegen auch über ihre Leidenschaft als Schriftstellerin und darüber, dass ihr die Inspiration zu diesem Gedicht ein Buch zu schreiben ganz plötzlich kam. Somit wusste sie, dass sie daran anknüpfen kann, weil dies auch zu Zeiten der Pest/Corona passt, in der der Mensch sich mit sich selbst beschäftigt und in seiner inneren Zeit weiterwächst. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die ausgesetzte stille Welt nur mit der Sprache und dem inneren Lungenorgan beatmet werden kann.“ (Larissa Otten)


„Das Ins-Gespräch-gehen mit Marica Bodrožić hat nicht nur in dem Moment selbst viel Freude bereitet, sondern trägt auch Früchte für meine Zukunft. Ich habe in Gedanken über das Gespräch meine Farbpalette der Lieblingszitate immer weiter erweitert. Das erste, was mir jedoch im Kopf geblieben ist, war: „Das Leben schenkt uns nur Kraft für das, was wir lieben.“ Das hat mir gezeigt dass wir für das kämpfen müssen, was wir einmal machen wollen, was wir sein wollen .

Ihr Zitat: „Das innere Labyrinth legt sich nie schlafen“, bedeutet für mich, dass wir uns immer weiter auf unserem Lebensweg bewegen, wir machen Fortschritte. Der Mut von den Menschen und wie wir ihn nutzen können, ist auch besonders deutlich geworden. Nur durch Ansprechen des Fremden lässt es sich benennen und bannen. Wir müssen es zu uns, auf unsere Ebene holen: „What goes up, must go down“. Neue Dinge, die aufkommen, müssen greifbar gemacht werden. Die Informationen der Medien müssen gelebt werden, um sie zu verstehen und uns aus ihren Stäben zu befreien.

Auch die Corona-Zeit hat für mich eine neue Perspektive gewonnen. Als Bodrožić sagte, „Pantherzeit ist Seelenzeit“, wurde mir bewusst, dass die Zeit für das eigene Innere ohne Medieneinflüsse sehr kostbar und vor allem notwendig ist. Durch die Selbstgestaltung des Events hatten wir auch einen anderen Zugang zum Gespräch. Wir durften selbst unsere Fragen stellen, selbst unsere Stimme erheben und haben darauf besonders kostbare Antworten bekommen. Frau Staubitz hat dies durch ihren Titel sehr deutlich gemacht: Die Schülerinnen wurden zuerst genannt, unsere Arbeit hat sich gelohnt und wird wertgeschätzt. Das wurde auch von Marica Bodrožić geäußert, was alle Beteiligten natürlich stolz macht. Auch wenn das Event digital stattfand, war keine digitale Mauer zwischen uns und der Autorin, wir alle begegneten uns, wie Marica Bodrožić auch sagte, als „echte Menschen“ und das war wohl das Wichtigste! (Enya Wolf)


„Die Konversation zwischen den Schülern und Marica Bodrožić über das Internet hat trotz örtlicher Barriere viele wichtige Aspekte angesprochen, so dass eine Diskussion entstehen konnte. Marica Bodrožić ist auf alle unsere Fragen eingegangen und zu meiner Frage, wie wir mediale Gesellschaften finden können, hat sie die hat sie die Wichtigkeit der Selbstfindung vor der Gruppenfindung hervorgehoben. Bevor wir also Gruppen finden und besonders, bevor wir uns von den sozialen Medien mitreißen lassen, müssen wir uns mit uns selbst beschäftigen. Es ist wichtig, sich immer Zeit zu nehmen, in welcher nicht auf die medialen Gruppen geachtet wird, sondern in welcher jeder auf sich selbst achtet und sich selbst zuhört, so dass eigene Gedanken gefasst werden können.

Außerdem hat Marica Bodrožić erwähnt, wie hilfreich und auch notwendig es ist, Dinge und Geschehnisse aufzuschreiben. Dies ermöglicht es einem, diese wahrhaftig zu machen und sich Ihnen zu stellen. Dieser Punkt hat mich besonderes interessiert, da ich auch oftmals versuche, mein Inneres durch das sprachliche Niederschreiben zu erkennen und es zu verarbeiten. Ob nun beim Tagebuch schreiben oder beim Gedichte schreiben macht ebenfalls einen Unterschied, jedoch, wie sie gesagt hat, ist es eine Inspiration von Innen, die, egal in welcher Form, sich selbst ausdrückt. Die Hand weiß oft schon vor einem selbst, was geschrieben wird, hat Marica Bodrožić dazu gesagt. Das verdeutlicht, dass sich nicht zuvor Gedanken gemacht werden müssen, wie, was, oder warum geschrieben wird, da all dies bereits in einem Selbst vorhanden ist und es einfach nach Außen kommt durch die eigene Hand. Das Aufschreiben des Inneren ermöglicht es, dies wahrhaftig zu machen und ihm Ausdruck zu bringen.

(Lea Nossol)


„Nach Marica Bodrozic haben wir die Fähigkeit, unsere Welt erkennen zu können, indem Verstand und Sinnlichkeit (wie auch bei Kants Erkenntnisstern), vereint werden. Jeder Mensch hat eine eigene Stimme und der Mensch ist frei durch seine Ideen und nicht gefangen, wie Marica Bodrozic sagt: „in den Zäunen der eigenen Biografie“ (Quelle: Sternstunden mit Marica Bodrozic – Zugänge zum Werk) (Idealismus – Verstand). Die Welt können wir erkennen, indem wir aufeinander schauen, sehen, realisieren und bereit für das Offene sind, um es mit allen Sinnen zu entdecken (Realismus/Sensualismus – Sinnlichkeiten). Die vierte Zacke von Kants Erkenntnisstern, der Sprachsinn, lässt sich bei Marica Bodrozic auf die Mehrsprachigkeit beziehen. Durch Mehrsprachigkeit öffne ich mich für das Neue, für neue Sprachen, neues Lernen und damit am meisten für andere Menschen. Dadurch bilden sich Gemeinschaften und der Sprachsinn ist wie eine Brücke, die die Menschen miteinander verbindet und ich kann die Welt um mich herum erkennen, nicht nur meine eigene Welt. Durch Sprachsinn wird die Welt also zusammengebracht.“ (Elisa Elzenary, PL1)
„Die Autorin Marica Bodrozic erfasst die Welt und hält diese besonders mit Hilfe der Sprache fest. Die Sprache ist für sie eine Form der Verarbeitung ihrer Sinneseindrücke und dient dazu, die Außenwelt mit der Innenwelt zu begreifen. Die Sprache bildet einen Raum des Bewusstseins, nicht nur im Einzelnen, sondern auch in der Öffentlichkeit. Nur durch die Sprache ist es uns möglich, eine neue Welt zu erschaffen. Marica Bodrozic ist zugleich bewusst, dass unsere scheinbaren Tatsachen bereits immer unbewusst sich verwandelt, weiterentwickelt haben. Das bedeutet dennoch nicht, dass es automatisch Unwahrheiten sind. Dieser Verarbeitungsschritt der Realität geschieht auf Grund unserer eigenen Perspektive. Um die ganze Welt begreifen und verstehen zu können, nimmt Marica Bodrozic nicht den leichtesten Weg, sondern wählt bewusst den ungemütlichen Weg, um das Echte und Lebendige für sich erst zu ergreifen und letzten Endes daran zu wachsen. Um die Realität wahrnehmen zu können, darf man die Natur und ihre Vulnerabilität nicht aus dem Auge verlieren und muss für alles offen sein.“ (Susann Simanek, PL 1)
„Die Autorin war der Meinung, dass es extrem wichtig sei, sich selbst zu erkennen und zu verstehen, um überhaupt erst die Welt erkennen zu können. Sie sprach dabei vor allem davon, sich seiner Gefühle klar und bewusst zu werden und sich seiner Angst zu stellen, wofür man teilweise sich erst seiner Gefühle im Klaren sein muss. Um dies zu bewerkstelligen zu können, muss man seinen Verstand und seine Sinne verwenden, um die Situation, in der man sich befindet, zu realisieren und zu verstehen: Mann muss sich im klaren darüber sein, dass man Angst vor etwas hat oder etwas fühlt. Im besten Fall erkennt man durch Reflexion, wovor man überhaupt Angst hat und wie man sich fühlt/was man fühlt. Sollte dies jedoch nicht realisierbar sein, dann soll man, laut der Autorin, anfangen zu schreiben. Der Körper, oder besser gesagt die Hand (des Schreibens) weiß unbewusst, wie es einem (psychisch) geht und kann dies auch ausdrücken, bevor der Verstand „befragt“ wurde oder man selbst bewusst darüber nachgedacht hat. Dies geschieht dabei durch den Geschieht durch den Gebrauch von Sprache/Schrift (/Kunst (Zeichnungen)), da die Sprache als Vorgang alles wahrnimmt/wahrnehmen kann. Die Hand dient dabei als einer Art Vermittler des Unterbewussten und dem Bewussten. Letztlich kann man so alles wahrnehmen und erkennen, nach ihrer Meinung. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob es auf jeden Menschen zutrifft, dass das Schreiben beim Bewältigen, Verstehen und Erkennen von Gefühlen gleichermaßen hilft, aber ich stimme ihr zu, dass der innerliche Wunsch/ das innerliche Bedürfnis durch das Ausleben von künstlerischen Tätigkeiten (also Schreiben, Skizzieren, Musizieren etc.), also durch den Nutzen der Hand/Hände als Vermittler, Gefühle/Ängste besser zum Ausdruck gebracht werden können und beim Verstehen dieser helfen können. Im Vergleich zur letzten Walter-Hasenclever-Literaturpreis-Veranstaltung an dieser Schule, welche eher politisch theoretisch orientiert war und dadurch eher langweilig/demotivierend gewirkt hat, war diese Veranstaltung (vom 23.11.2020) weitaus interessanter, da sie philosophisch angelehnt war und somit einen Anreiz geboten hat selber mit zu philosophieren und seine Eigenemeinung zu bilden. (Max Heuer, PL 1)
„In meinen Augen habe ich das Event als Höhepunkt unserer Unterrichts- und Literaturpreis technischen Vorbereitung erlebt. Mit dem Wort des Erlebens meine ich auch ein Erleben des inneren sowie äußeren Befindens. Ich habe mich offen in ein Gespräch mit Marica Bodrožić begeben; habe mich so nach außen hin verhalten und habe von innen nach außen gedacht und das, was wir und sie sagte, aufgenommen. Ich habe es in mein innerstes Verständnis zu leben aufgenommen, damit wir gemeinsam an und in diesem Leben für uns alle dazulernen, besser werden und so viel verstehen können, wie wir es für uns wollen. Wir lernen nie aus, wir sind bereit, uns allen Grenzen entgegenzustellen, unseren Weg, aber auch einen gemeinsamen zu beschreiten und dabei nicht zu verstummen, sondern uns laut und deutlich wie ein wilder Panther bei all dem gegen die Grenzen, die uns den Weg versperren, vorzugehen. Wir können mit dem, was wir in uns tragen, viel mehr nach außen weitergeben, wenn wir es einfach aussprechen, denn nur angewandtes Wissen bringt uns nach vorne, schafft Diskurs und Gespräche wie die, die wir gestern mit Marica Bodrožić geteilt haben. Unsere Worte begleiten Gedanken, Ideen, Projekte, und wenn wir mutig sind, dann folgen auch Taten, die uns zu dem machen, was wir sind. Für mich war dies alles also ein Erlebnis, ein unersetzliches Erlebnis, welches uns alle Fragen beantwortet hat oder auch vielleicht nur den eigenen Antworten einen Boden gegeben hat, auf dem unsere Sternträume wachsen können. Ein Erlebnis, in dem wir alle Fragen für und über unser sprachliches Leben beantwortet und oder uns einer eigenen Antwort genähert haben, auf dessen Boden unsere Sternenträume wachsen können.“ (Soufiane Bakhada)