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Allgemein | 24.10.2025

Begrüßungsrede der Oberbürgermeisterin der Stadt Aachen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen zur Verleihung des Walter-Hasenclever-Literaturpreises 2025 hier im Theater Aachen – einem Ort, der wie kaum ein anderer für die kulturelle Lebendigkeit und den geistigen Austausch unserer Stadt steht.

Herzlich danke ich Frau Hwang für die musikalische Einleitung.

Mit großer Freude begrüße ich die designierte Preisträgerin. Herzlich willkommen in Aachen, Daniela Krien!

Herzlich begrüße ich ebenfalls die Laudatorin der heutigen Preisverleihung Anne-Dore Krohn – die Generalintendantin des Theaters Aachensowie die Mitglieder des Rates der Stadt Aachen und die Vertreter der Medien.

Die heutige Preisverleihung ist ein bedeutungsvoller Moment, in mehrfacher Hinsicht:

Wir ehren heute die Schriftstellerin Daniela Krien, eine ebenso feinsinnige wie präzise Chronistin unserer Gegenwart – und wir tun dies erstmals hier im Theater Aachen, an einem Ort, der ganz besonders geeignet scheint, um die Verbindung von Literatur, Gesellschaft und Geschichte zu feiern.

Und es ist ein Jahr des Gedenkens: 135 Jahre nach der Geburt Walter Hasenclevers, 85 Jahre nach seinem Tod, erinnern wir heute an einen der bedeutendsten literarischen Söhne dieser Stadt – an einen Autor, der nicht nur mit seiner Sprache berührte, sondern mit seinem gesamten Leben und Werk für Haltung, Humanität und Widerstand stand.

Zugleich feiern wir das ganze Jahr über 200 Jahre Stadttheater Aachen.

Und wie Sie alle an der Baustelle vor dem Eingang sehen, bereiten wir außen alles vor, um den Theaterplatz und das Theater als Treffpunkt der Bürger zu optimieren.

Herzlich danke ich Generalintendantin Elena Tzavara und dem gesamten Team des Theaters für das Engagement unter herausfordernden Umständen.

 

Meine Damen und Herren,

Walter Hasenclever wurde 1890 hier in Aachen geboren. Schon früh wandte er sich der Literatur zu, schloss sich dem aufkommenden Expressionismus an und wurde zu einer prägenden Stimmen dieser Bewegung.

Seine Dramen, etwa „Der Sohn“ oder „Die Menschen“, gehörten zu den meistgespielten Stücken der frühen 1910er Jahre.

Mit seinen Schriften, Gedichten und Theaterstücken war Hasenclever Teil einer Generation, die die gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit nicht nur beschrieb, sondern sich mit ganzer Leidenschaft in sie einmischte.

Hasenclever war ein europäischer Intellektueller, ein Pazifist, ein Vordenker. Einer, der früh gegen Nationalismus und Militarismus schrieb – und dafür von den späteren Machthabern gehasst wurde.

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, wurde Hasenclevers Werk zur Zielscheibe ideologischer Vernichtung: Am 10. Mai 1933, im Zuge der berüchtigten Bücherverbrennung, wurden auch seine Werke ins Feuer geworfen – auf Scheiterhaufen aus Papier und Gedanken, auf denen man versuchte, die Freiheit des Geistes zu verbrennen.

Hasenclever musste ins Exil fliehen, zunächst nach Italien, später nach Frankreich. Dort wurde er interniert – und 1940, als die Wehrmacht Paris besetzte, sah er keinen Ausweg mehr.

Er nahm sich im südfranzösischen Internierungslager Les Milles mit 49 Jahren das Leben.

Sein Schicksal steht exemplarisch für eine Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die durch Verfolgung, Verbannung und Gewalt zum Verstummen gebracht werden sollten – und deren Stimmen wir heute umso bewusster wieder hörbar machen müssen.

Dass wir diese Preisverleihung heute, im Gedenken an ihn, in unserem Theater, in seiner Heimatstadt Aachen begehen – ist ein Zeichen: Ein Zeichen der Erinnerung, der Dankbarkeit und der Mahnung. Und ein Zeichen für die Kraft der Literatur, die über Zeiten, Regime und Sprachräume hinweg wirkt.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Walter-Hasenclever-Literaturpreis wird seit 1996 verliehen – alle zwei Jahre an Autorinnen oder Autoren, die mit ihrem Werk im Geiste Hasenclevers schreiben: engagiert, humanistisch, unbequem, poetisch.

Daniela Krien, die diesjährige Preisträgerin, ist eine dieser Stimmen.

In Büchern wie „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“, „Die Liebe im Ernstfall“ oder „Der Brand“ beschreibt sie das Innenleben von Menschen, die zwischen Freiheit und Bindung, Verlust und Aufbruch, Anpassung und Aufbegehren stehen.

Daniela Krien erzählt von Frauen, von Müttern und Töchtern, von Paaren und Familien, aber sie erzählt immer auch von Strukturen, Erwartungen, Brüchen.

Ihre Prosa ist ruhig, aber sie hallt lange nach.

Ihre Sprache ist schnörkellos, aber sie trifft ins Herz.

Ich gratuliere Ihnen, liebe Frau Krien, im Namen der Stadt Aachen sehr herzlich zu dieser Auszeichnung.

Sie führen das literarische Erbe Hasenclevers auf Ihre ganz eigene Weise fort – als genaue Beobachterin, als poetische Erzählerin und als kluge Chronistin unserer Zeit.

Ich danke auch der Jury des Walter-Hasenclever-Preises, die mit großem Feingefühl, Sachverstand und Weitblick eine Autorin ausgewählt hat, deren Werk Brücken schlägt: zwischen Innen und Außen, zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Mein Dank geht außerdem an den Vorsitzenden der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, Herrn Axel Schneider, dessen unermüdliches Engagement diesen Preis nicht nur möglich macht, sondern ihn auch lebendig hält.

Die Walter-Hasenclever-Gesellschaft ist ein wichtiger Träger der literarischen Erinnerungskultur in unserer Stadt – und ein Bindeglied zwischen dem literarischen Erbe und den Stimmen der Gegenwart.

Nicht zuletzt möchte ich der Pianistin Frau Hwang des Sinfonieorchesters Aachen danken, die diese Preisverleihung mit ihrer Musik bereichert.

Denn Musik und Literatur, Klang und Sprache – sie alle teilen dieselbe Sehnsucht: den Menschen zu berühren, zu bewegen, ihm eine Stimme zu geben.

Liebe Gäste,

der heutige Vormittag ist eine Feier – der Literatur, des Denkens, des Erinnerns.

Er ist auch ein stiller Appell: dass wir das freie Wort schützen, dass wir die Erinnerung wachhalten, dass wir denen zuhören, die mit ihrer Sprache Orientierung geben in einer Zeit der wachsenden Orientierungslosigkeit.

Ich wünsche uns allen eine inspirierende Preisverleihung, eine berührende Laudatio, eine musikalisch-poetische Umrahmung – und viele Gedanken, die wir mit nach Hause nehmen dürfen.

Herzlichen Glückwunsch, liebe Daniela Krien, zum Walter-Hasenclever-Literaturpreis 2025!

Und Ihnen allen: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – und einen bewegenden Vormittag hier im Theater Aachen.