Walter Hasenclever als Poet einer Umbruchzeit – mit Gedichten aus der Zeit von 1910 bis 1920 und im Dialog mit zeitgenössischer französischer Lyrik.
Zu diesem Thema lud auch das aktuelle Jahr der vielen Erinnerungen an den Ausbruch des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren ein. Doris und Jürgen Lauer ging es darum, zu zeigen, mit welchen Themen sich Walter Hasenclever und seine französischen Dichterkollegen zu dieser Zeit 1910 bis 1920 in ihrem lyrischen Schaffen befassten. Zum anderen wollten sie der Frage nachspüren, ob Walter Hasenclever neben thematischen auch sprachliche Gleichklänge mit seinen französischen Zeitgenossen teilte. Das Französische kennt ja den literarischen Gattungsbegriff des „Expressionismus“ nicht, dafür aber „Symbolisme“, „Futurisme“, „Fantaisisme“ und „Surréalisme“. Die Themen der Zeit wurden unter den Themenkreisen Farben und Symbole — Ort und Begegnung — Dynamik als Lebensgefühl — Im Zwischenraum — Krieg und Tod — Ende und Neubeginn — Liebe vorgestellt. Die von Jürgen Lauer ausgewählten und kommentierten französischen Gedichte, u.a. von Guillaume Apollinaire, Maurice Maeterlinck, Jules Romains und Valérie Larbaud, waren von Doris Lauer ins Deutsche übertragen worden und wurden von ihr rezitiert. Die ausgewählten Gedichte Hasenclevers rezitierte der Schauspieler Jochen Deuticke Die literarischen Texten traten in Beamerprojektion in einen Dialog mit zeitgenössischen Werken der bildenden Kunst aus der Zeit des späten Impressionismus, des Futurismus, des Expressionismus und des Surrealismus. (Die beigefügte Bearbeitung eines Hasenclever-Fotos – Software „Prisma – könnte dem Stil des Futurismus zugeordnet werden.) Den Vortragenden erschien z. B. das Bild aus dem Jahre 1916 von Konrad Westermayr (geb. 1883, gefallen 1917 in Ypern) besonders geeignet zu Hasenclevers Gedicht „Sterbender Unteroffizier im galizischen Lazarett“. Offizielle Wahlen zur Neubesetzung des Vorstands Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 10. Februar 2014 war der zentrale Tagesordnungspunkt die Neuwahl des Vorstandes. Prof. Dr. Jürgen Egyptien begründete die Niederlegung des Vorsitzes zu diesem Zeitpunkt: Die anstehenden umfangreichen Vorbereitungen zur nächsten Preisverleihung 2014 sowie zum doppelten Hasenclever-Gedenkjahr 2015 (125 Jahre nach Hasenclevers Geburt, 75 Jahre nach seinem Tode) und die damit notwendige Zusammenarbeit mit der Stadt, anderen literarischen Gesellschaften, Referenten, Ausstellungsstätten usw. könne er aus Gründen beruflicher Belastung nicht leisten. Zu den konkreten Ergebnissen seines Wirkens für die Gesellschaft verwies er auf die Außenwirkung der Preisveranstaltungen für Herta Müller, Christoph Hein, Ralf Rothmann und Michael Lentz, vor allem aber auf seine zeit- und arbeitsintensive Tätigkeit in vier umfänglichen Jahrbüchern. Er bedankte sich für die Zusammenarbeit im Vorstand, für dessen freundliche Arbeitsatmosphäre und Zuverlässigkeit. Dr. Walter Vennen antwortete für den Vorstand mit einem Dank für Jürgen Egyptiens Mischung von Engagiertheit, offenem Umgangston und Humor. Jürgen Lauer bekundete seinen Wunsch, nach 15 Jahren Vorstandsarbeit als Schriftführer diese Aufgabe jüngeren Händen zu überlassen. Frau Miriam Steinig wurde durch Wahl dieses Amt übertragen. Jürgen Lauer nahm die Wahl zum Ehrenvorsitzenden als liebenswürdige Geste gern an. Frau Dr. Barbara Schommers-Kretschmer arbeitete schon seit Monaten an der Vorbereitung der neuen Literaturpreisverleihung und hatte sich auch als Vorstandsmitglied bei verschiedenen Gelegenheiten für die Gesellschaft engagiert. Sie folgte gern der Bitte um eine persönliche Vorstellung in dieser „Kleinen Geschichte“: „Meine Geschichte mit Walter Hasenclever beginnt im Jahre 1987 am Germanistischen Institut der RWTH Aachen. Hier wurde gerade unter der Leitung der Professoren Dr. Breuer und Dr. Witte zum ersten Mal überhaupt das Gesamtwerk Walter Hasenclevers ediert. Besonders Prof. Dieter Breuer, die wissenschaftlichen Mitarbeiter und wir beiden Doktoranden (Bert Kasties und ich) bildeten eine Art Vor-Gesellschaft mit dem gemeinsamen Anliegen, Walter Hasenclever wieder in den Fokus der Literaturwissenschaft zu stellen sowie der Öffentlichkeit zu präsentieren. So entstand die Idee, den 100. Geburtstag Hasenclevers mit einem vielfältigen Programm, einer Ausstellung, Theateraufführungen (z.B. im Grenzlandtheater) und einer Party zu feiern. Wir Veranstalter verfassten als Katalog zur Ausstellung die Dokumentation „Walter Hasenclever 1890 – 1940“ , die noch heute als informatives Kompendium gilt. In diesen Jahren meiner wissenschaftlichen Arbeit habe ich Edith Hasenclever in Südfrankreich kennen und schätzen gelernt. Es waren herrlich philosophisch-lebensnahe Gespräche, die jeweils vom frühen Nachmittag bis spät in die Nacht dauerten, beflügelt von Rotwein und Zigaretten. In Aachen hat uns Marita Hasenclever, die Schwester des Dichters, sehr anschaulich von der gemeinsamen Zeit mit ihrem Bruder in Paris erzählt – gerne auch bei mir in Vaals, inmitten unserer turbulenten Großfamilie. In den Jahren 1987 – 1997 war „Hasenclever“ ein sehr wichtiges Lebensthema für mich. Mein wissenschaftliches Interesse galt dem bis dahin nicht hinreichend wahrgenommenen philosophischen Gehalt im Werk von Walter Hasenclever. Der inzwischen etablierten Walter-Hasenclever-Gesellschaft fühlte ich mich auch in den Folgejahren verbunden – allerdings mehr aus der Ferne (München und später Düsseldorf). Seit 2007 gehörte ich als Beisitzerin deren Vorstand an. Im Februar 2014 übernahm ich das Amt der Vorsitzenden der WHG sowie die Leitung der Jury zur Wahl des Preisträgers 2014, „im fliegenden Wechsel“ von Prof. Jürgen Egyptien. Nicht nur durch den Literaturpreis war und ist das Anliegen der WHG, die zeitgenössische deutschsprachige Literatur vorzustellen, zu diskutieren und zu fördern. Im November 2014 werden wir Michael Köhlmeier als herausragenden Dichter, Erzähler und Philosophen ehren. Über Ihr Interesse und auf spannende Gespräche freue ich mich sehr.“ Mitgliederversammlung 2014 im Zeichen des erwarteten Preisträgers Michael Köhlmeier Die Mitgliederversammlung vom 5. Mai 2014 erwies sich nicht, wie ein Köhlmeier-Titel heißt, als trauriger Blick in die Weite, sondern als eine erwartungsfrohe Runde, was die kommenden drei Novembertage der Veranstaltungen rund um die Preisverleihung an Michael Köhlmeier (das Foto schoss Barbara Schommers bei einer persönlichen Begegnung) betraf. Walter Vennen berichtete von seiner Begegnung mit Michael Köhlmeier in Weimar, wo der designierte Preisträger sich als Moderator einer literarischen Veranstaltung als kenntnisreicher und humorvoller Redner erwies. Maria Behre verwies auf mehrere Auftritte Köhlmeiers im Internet, bei denen er sowohl als Erzähler als auch als Musiker wirkte, dort mit einer eigenen Textfassung von „Walk on the wild side“. Tafelrunden sollen Kontakte fördern Im Verlauf des Jahres sollte es eine enge Folge von Vorstandssitzungen fast im monatlichen Turnus geben. Die Einrichtung von mehrmals jährlich stattfindenden „Tafelrunden“ für alle, die über die Vereinszugehörigkeit hinaus an Literatur und Austausch über Lektüre-Erfahrungen interessiert sind, wurde auf Vorschlag der Vorsitzenden Barbara Schommers beschlossen. Lesungen aus Werken Köhlmeiers Was solche Tafelrunden bringen können, zeigte der letzte Teil der Mitgliederversammlung, mit Lesungen aus den Werken des vielseitigen österreichischen Autors. Walter Vennen las aus dem Werk „Die Abenteuer des Joel Spazierer“, mit der Charakterisierung der zentralen Figur des Romans. Maria Behre und Klaus Mackowiak teilten sich die Aufgabe, aus dem Werk „Abendland“ Ausschnitte zur Frage des Genies vorzustellen. Marlis Funk vermittelte mit einer Textauswahl aus mehreren Werken des Autors Denkanstöße. Gertrud Münch las den Beginn der Köhlmeier-Erzählung „Sunrise“. Walter Vennen stellte schließlich das originelle Kinderbuch vor: „Wie das Schwein zum Tanze ging. Eine Fabel“, das auch auf CD erhältlich ist. 20 Jahre Hasenclever-Literaturpreis Eine Online-Veröffentlichung im Dezember 2014 zum Jubiläum des Literaturpreises von Dr. Maria Behre soll später im Jahrbuch 2014/2015 (S. 29-35) in Druckform vorliegen. Darin hebt die Autorin hervor: „Am Ende eines geduldigen Erforschens eines wichtigen Schriftstellerschicksals wie Werks zur Zeit des Expressionismus und der Weimarer Republik sowie der Bemühung, ihn mit einem Literaturpreis der Vergessenheit zu entreißen, sollte ein zustimmendes „Clever“ stehen: eine clevere Stadt, die die Geschichte der durch die Nazis bis heute in Vergessenheit gebrachten Künstler und die Gegenwart der Literaturvermittlung verbinden will. Das ist die Idee des Preises in seiner zwanzigjährigen Geschichte: die Idee der Freiheit der Kunst und für die Künstler, die Freiheit für eine Jugend zu erhalten und sichtbar-hörbar zu gestalten, in Events, in partizipativen Performances. Michael Köhlmeier, Preisträger von 2014: „Man muss der Stadt Aachen dankbar sein, dass sie ihren Sohn Walter Hasenclever aus dem Dunkel hervortreten lässt.“ Johannes Rohé gestaltet die Vereins-Homepage Da die Gesellschaft zur Mitfinanzierung des Hasenclever-Literaturpreises sparsam haushalten muss, kann sie einen professionellen Webdesigner nicht finanzieren. Als solcher stellte sich Johannes Rohé ehrenamtlich zur Verfügung, wofür ihm der Dank des Vorstandes ausgesprochen wurde. Die Seite beinhaltet die Kategorien WH–Gesellschaft – Newsletter – Walter Hasenclever – Berichte über die aktuelle Preisträgerin / den Preisträger –Pressemitteilungen – Geschichte der WHG – Hasenclever-Gesellschaft und Schule. Preisverleihung an Michael Köhlmeier Die Veranstaltungen zur Preisverleihung 2014 begannen am 8. November im Ballsaal des Alten Kurhauses mit einer Lesung aus „Zwei Herren am Strand“, von jener ungewöhnlichen fiktionalen Freundschaft des Komikers Charlie Chaplin und des Staatsmannes Winston Churchill, die uns Zeitgeschichte erleben lassen. Am 9. November fand ebenfalls im Alten Kurhaus die Preisverleihung statt. Schließlich erlebte Michael Köhlmeier am 10. November im Einhard-Gymnasium, wie sich Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen unter dem Motto „Abenteuer der Lesens und Lebens“ mit seinem Werk auseinandergesetzt hatten. In ihrer Presseerklärung zur Bekanntgabe des neuen Hasenclever-Preisträgers fasste Barbara Schommers-Kretschmer die Spannweite der Erzählkunst Köhlmeiers mit diesem Satz zusammen: „Michael Köhlmeier ist ein Sprachkünstler, der seine Leser in den Strudel seiner vielfältigen komischen und tragischen, widersprüchlichen, irritierenden unendlichen Geschichten zieht.“ Ob in seinen Romanen, die die großen Themen der Zeitgeschichte behandeln, oder in seinen unverwechselbaren Nacherzählungen der klassischen Sagen, biblischen Geschichten oder Shakespeare-Dramen –dieser Autor ist ein begnadeter Erzähler. In seiner Begrüßungsansprache zur Feier der Preisverleihung hob Oberbürgermeister Marcel Philipp hervor, dass Köhlmeier im großen Bogen, den er über die europäische Literatur spanne, seine profunde Kenntnis des gesamten europäischen Literaturkanons einfließen lasse, und er setzte hinzu, dass im Umgang mit existentiellen Fragen erst die Vergemeinschaftung vieler Erfahrungen Orientierung ermögliche, dass ohne Herkunftswissen Zukunft nicht geschaffen werden könne. Der Preisträger bekannte in seiner Dankrede, dass er in ‚gnadenvollen Zeiten‘ gelebt habe, im Vergleich zu dem, dessen Namen sein Literaturpreis trägt. Laudator war der Wiener Universitätsprofessor Dr. Konrad Paul Liessmann, dessen Lehrstuhl für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik besonders dem Forschungsbereich „Philosophie und Öffentlichkeit“ verpflichtet ist, und der mit Michael Köhlmeier seit 2008 das viel beachtete Philosophicum Lech leitet. Seit sechs Jahren nutzt Liessmann die Erzählkunst seines Freundes zu einer gemeinsamen philosophischen Kunstform, einem „Erzählen und Denken“ genannten Dialog, in dem der eine aus altem Erzählgut Themen auswählt und der andere, ebenso in freier Rede, den philosophischen Bezug herstellt, der sich im Erzählten auftut. Anstelle einer üblichen Laudatio für den Preisträger gab es diesmal einen solchen Dialog zum Thema, dargetan an der Geschichte des Satyrs Marsyas, der mit seiner Flöte den Gott Apoll zum Wettstreit herausfordert und von dem nach Urteilsspruch der Musen erkorenen Sieger gnadenlos bestraft wird – ihm wird bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen. Die Gesprächspartner stellten diese auf den ersten Blick grausame mythische Konfrontation von Lust und Leid unter den Kernbegriff der Kunst – Schönheit. Maria Behre, Jurymitglied, verwies zu diesem mythischen Stoff später auf „die im Mythos entfaltete Dialektik zweier Lebenseinstellungen, das, was seit Kierkegaard und Nietzsche das Apollinische und das Dionysische genannt wird. Trotz Apolls Sieg im Mythos bleibt die Ambivalenz von Lust und Leid als Kern des Kunstschaffens bestehen. Das Wahre liegt immer dazwischen, hier in der Bruderschaft der Gegensätze“.(literaturkritik.de) Der weithin über den Aachener Raum hinaus bekannte Musiker Heribert Leuchter, multi-instrumental unterwegs, Komponist und Meister aller Musikstile, rundete den frei gestalteten philosophisch-ideengeschichtlichen Dialog der Meister des Wortes mit seinen Improvisationen hervorragend ab. Die Zuhörer erlebten eine philosophische Begegnung als Kunstwerk, das in der erzählerischen Gestalt und im Gehalt einmalig und somit unwiederholbar bleibt. Für unsere Geschichte der WHG erhielten wir einen Beitrag von Prof. Liessmann über den Erzähler Köhlmeier. Abenteuer des Lebens Das Einhard-Gymnasium feierte Michael Köhlmeier Die jüngsten und die ältesten Schülerinnen und Schüler des Einhard-Gymnasiums erlebten Michael Köhlmeier auf ihre Weise: Er erzählte, diskutierte, las gemeinsam mit Schülern, hörte zu und nahm teil bei rezitativen, chorischen, tänzerischen Aussagen. Sie alle waren zu verstehen als Variationen des Themas „Erzähl uns deine Geschichte!“ Für diese Zusammenarbeit der Lesepartnerschaften gab es für die Schülerinnen und Schüler von der Stiftung Lesen einen Preis im Rahmen des Welttages des Buches.